Variabler Zinssatz
Als variabler Zinssatz wird im weitesten Sinne ein Zinssatz bezeichnet, der nicht fest ist, sondern verändert werden kann. In der Praxis kommen variable Verzinsungen sowohl bei Kapitalanlagen als auch bei Krediten vor. Die Ausgestaltung hängt dabei immer von den Konditionen ab, die für den konkreten Einzelfall vereinbart worden sind beziehungsweise für eine bestimmte Gattung von Anlage- oder Kreditprodukten gelten.
Unterschiedliche Ausgestaltung von variablen Verzinsungen
Ohne nähere Erläuterung bedeutet "variabel" in diesem Zusammenhang nur, dass der anfängliche Zinssatz nicht während der gesamten Laufzeit der Anlage oder des Darlehens konstant bleiben muss, sondern vom Kreditgeber jederzeit geändert werden kann. Häufig wird dieser Aspekt jedoch konkreter gefasst, in dem die beteiligten Vertragsparteien beispielsweise vereinbaren, dass eine Anpassung des Zinssatzes nur dann möglich ist, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, - wie etwa die Veränderung eines bestimmten Referenzzinssatzes.
Solche Referenzzinssätze sind beispielsweise die Euro InterBank Offered Rate, oft auch nur kurz als EURIBOR bezeichnet, oder der LIBOR (London InterBank Offered Rate); in Deutschland wurde früher zudem auch häufig der FIBOR (Frankfurt InterBank Offered Rate) verwendet. Es kann beispielsweise vereinbart werden, dass eine Anpassung der Anlage- oder Kreditzinsen dann erfolgen soll, wenn sich der Referenzzinssatz um einen bestimmten Prozentsatz geändert hat.
Andererseits ist es auch möglich, dass der Zinssatz zu bestimmten Terminen an die Veränderung des Referenzzinssatzes angepasst wird, ohne dass es dafür jedes Mal einer neuen Entscheidung bedürfte. Ob die Veränderung des Referenzzinssatzes dabei im Verhältnis 1:1 nachvollzogen wird oder nur teilweise, kann wiederum von Fall zu Fall unterschiedlich gehandhabt werden.
Auch ist zu unterscheiden zwischen solchen Fällen, in denen eine Anpassung des Zinssatzes zwangsläufig erfolgen muss und jenen Fällen, in denen es lediglich der Bank anheimgestellt ist, ob sie den Zinssatz anpasst oder auf eine Anpassung verzichtet.
Variabler Zinssatz versus Festverzinsung
Ob ein variabler Zinssatz oder eine feste Verzinsung vorzuziehen ist, lässt sich nur mit Blick auf die jeweilige Situation des Kreditnehmers beziehungsweise des Anlegers beurteilen. So ist es aus Sicht eines Anlegers, der sich in einer Phase niedriger Zinsen für eine bestimmte Sparanlage entscheidet, sicherlich sinnvoll, wenn dafür eine variable Verzinsung vereinbart wird. Diese sichert ihn dagegen ab, dass er im Falle steigender Marktzinsen weiterhin nur eine niedrige Verzinsung für seine Einlage erhält und somit nicht am Anstieg der Zinsen partizipiert.
Umgekehrt ist es in Phasen hoher Zinsen attraktiver, Anlagen mit einer festen Verzinsung zu tätigen, weil ein variabler Zinssatz dann mit dem Risiko verbunden wäre, irgendwann möglicherweise nur noch eine geringere Verzinsung zu erhalten als am Anfang.
Aus Sicht eines Kreditnehmers stellt sich die Situation genau umgekehrt dar. Für ihn ist es attraktiver, in einer Niedrigzinsphase für einen möglichst langen Zeitraum gleichbleibende Kreditzinsen zu vereinbaren, um sich die im historischen Vergleich geringe Zinsbelastung so lange zu sichern wie nur irgend möglich. In Hochzinsphasen ist ein variabel verzinstes Darlehen dagegen sinnvoller, weil es zumindest die Chance bietet, dass sich die Belastung für den Kapitaldienst im Falle eines sinkenden Zinsniveaus ebenfalls verringert.
Preisgestaltung und Verzinsung
Allerdings ist dabei zu beachten, dass die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Verzinsungsvarianten in der Regel bereits in die Gestaltung der Konditionen mit einfließen. So werden beispielsweise in Niedrigzinsphasen Darlehen mit variabler Verzinsung häufig etwas günstiger angeboten als solche mit einer langen Zinsfestschreibungsdauer, bei denen der eventuelle Zinsvorteil zumindest teilweise durch einen gewissen Aufschlag kompensiert wird.
Wer - beispielsweise bei einem Hypothekendarlehen - eine Zinsfestschreibungsdauer von zehn, fünfzehn oder mehr Jahren vereinbart, muss demnach etwas höhere Zinsen zahlen als jemand, der seine Zinsen nur für fünf Jahre festschreiben lässt. Durch die höheren Zinsen wird andererseits jedoch eine größere Planungssicherheit über einen längeren Zeitraum "erkauft", während die Zinsersparnis im Falle einer kurzen Zinsbindungsfrist dadurch überkompensiert werden kann, dass nach Ablauf dieser Frist deutlich höhere Zinsen fällig werden können.
Praktische Marktbedeutung von Darlehen mit variablem Zinssatz
In Deutschland wird ein variabler Zinssatz im Retailgeschäft der Banken bei Girokonten, Kreditkartenkonten, Kontokorrent- und Dispositionskrediten durchaus häufig verwendet, während langfristige Kredite wie Immobilienfinanzierungen oder länger laufende Konsumentenkredite vergleichsweise seltener mit rein variablen Verzinsungen vereinbart werden.
Dies ist jedoch keineswegs in allen Ländern so. In den USA beispielsweise sind Darlehen mit variablen Zinssätzen wesentlich weiter verbreitet, auch und gerade im Hypothekengeschäft. Der Vorteil besteht dabei darin, dass der Kreditmarkt stärker "atmet", das heißt, Zinssenkungen führen am Markt tendenziell zu einer stärkeren Ausweitung des Kreditgeschäfts, während Zinserhöhungen die Kreditnachfrage deutlicher dämpfen.
Dem stehen jedoch auch spezifische Risiken gegenüber, die sich beispielsweise während der Finanzkrise in den Jahren 2007 und 2008 in den USA deutlich bemerkbar gemacht haben. Insbesondere der Umstand, dass die zeitweise niedrige Zinsbelastung zahlreiche Kreditnehmer zur Verschuldung motiviert hatte, die schon bei einem relativ geringen Anstieg der Zinsen nicht mehr in der Lage waren, die für den Kapitaldienst notwendigen Mittel aufzubringen, erwies sich als gravierendes Problem mit Folgen für die gesamte US-amerikanische Wirtschaft und darüber hinaus.
Umgekehrt wird die Tatsache, dass variabel verzinste Darlehen in Deutschland in deutlich geringerem Maße genutzt werden, oft als ein Grund dafür angeführt, dass es in Deutschland nicht zu Problemen gekommen ist, die jenen am US-Hypothekenmarkt auch nur annähernd vergleichbar gewesen wären.
Variabel verzinste Anleihen
Ein weiterer Bereich, in dem ein variabler Zinssatz zur Anwendung kommt, sind sogenannte Floater - auch als floating rate note bezeichnet beziehungsweise mit FRN abgekürzt. Dabei handelt es sich um variabel verzinste Anleihen. Auch bei einem Floater wird die Verzinsung üblicherweise an einen bestimmten Referenzzinssatz gekoppelt, etwa an den EURIBOR oder an den LIBOR. Darüber hinaus gibt es auch noch andere Wertpapiere mit variablem Zinssatz, die allerdings nicht als Floater, sondern als strukturierte Produkte bezeichnet werden.
Bei Floatern fungiert gewissermaßen der Erwerber des Wertpapiers als Kreditgeber, der vom Emittenten dafür eine variable Verzinsung sowie gegebenenfalls auch bonitätsbezogene Auf- oder Abschläge erhält. Üblich ist es beispielsweise, zum Zeitpunkt der Zahlung eines Kupons zugleich den Zinssatz für den nächsten Kupon festzulegen. Für die Entscheidung eines Anlegers zwischen einer festverzinslichen und einer variabel verzinsten Anleihe gilt sinngemäß dasselbe wie für die eingangs genannten Sparanlagen.