Bedeutung der Vorfälligkeitsentscheidung
Grundsätzlich ist zwischen der Vorfälligkeitsentschädigung, kurz VFE, und der Nichtabnahmeentschädigung zu unterscheiden. Erstere fällt dann an, wenn ein Kreditnehmer seinen Vertrag währen der Frist der Zinsfestschreibung kündigt und den Darlehensbetrag vorzeitig zurückführt.
Der Begriff Nichtabnahmeentschädigung wird dann angewendet, wenn der Kreditnehmer seinen Darlehensvertrag auflöst, bevor der Darlehensbetrag an ihn ausbezahlt worden ist. Eine weitere Unterscheidung muss zwischen der Entschädigung für eine Vorfälligkeit und einem Schadensersatzanspruch auf Seiten des Kreditgebers vorgenommen werden.
Eine Entschädigung durch den Kunden ist dann fällig, wenn der Kreditkunde die Vorfälligkeitsentscheidung getroffen hat. Wurde der Kreditvertrag durch die Bank gekündigt, weil der Kreditnehmer seinen vertraglich vereinbarten Pflichten nicht nachgekommen ist, kann die Bank von ihm Schadenersatz verlangen. Er berechnet sich auf den gleichen Grundlagen wie die Entschädigung für Vorfälligkeit.
Wann kann ein Kredit ohne diese Kosten gekündigt werden?
Weist ein Darlehen einen variablen Zinssatz auf, kann der Kunde eine Vorfälligkeitsentscheidung ohne das Risiko der Forderung nach einer Vorfälligkeitsentschädigung immer dann treffen, wenn der Zinssatz durch die Bank verändert wird. Dabei sind abweichende Regelungen mit dem Ausschluss einer vorzeitigen Kündigung für einen Anlaufzeitraum von drei Monaten möglich.
Bei den Konsumkrediten ist es ebenfalls üblich, dem Kunden das jederzeitige Recht auf eine vorzeitige Darlehensrückführung ohne Zusatzkosten einzuräumen, auch wenn sich hier die Frist der Zinsbindung über die gesamte Laufzeit eines Darlehens hinweg erstreckt. Weitere Sonderreglungen sind vom Gesetzgeber für Darlehen geschaffen worden, bei denen die Festschreibung der Zinsen einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren umfasst.
Sind zehn Jahre der Laufzeit bei diesen Darlehen absolviert, kann der Kunde eine Vorfälligkeitsentscheidung treffen, bei der er keine Forderung der Bank nach einer Entschädigung riskiert. Die Zehn-Jahres-Frist beginnt an dem Tag, an dem der Kreditnehmer die komplette Kreditsumme bekommen hat. Er hat bei dieser Sonderregelung eine Kündigungsfrist von sechs Monaten einzuhalten.
Vorfälligkeitsentscheidung mit Zwischentilgung
Wer sich eine Vorfälligkeitsentscheidung ohne Entschädigung der Bank zu bestimmten Zeiten offenhalten möchte, ist mit den Kreditverträgen gut beraten, in denen der Kreditgeber die Möglichkeit von Zwischentilgungen einräumt. Hier ist es eine gängige Praxis, dass sowohl die nutzbaren Termine als auch die maximale Höhe einer Zwischentilgung ganz konkret festgelegt werden. In der Regel vereinbaren die Vertragsparteien entweder pauschale Summen oder einen maximalen Prozentsatz der zu diesem Zeitpunkt noch zu tilgenden Kreditsumme.
Wissen sollte man auch, dass man nicht nur eine Vorfälligkeitsentschädigung beim Wunsch nach einer vorzeitigen Kündigung eines Darlehens riskiert.
Ist ein Kredit über ein Pfandrecht im Grundbuch besichert, kann die Bank die Rücknahme des Kredits in der Zeit verweigern, für die eine Festschreibung der Zinsen vorgenommen worden ist. Außerdem sollte man dabei beachten, dass zum Beispiel bei einer Umfinanzierung Zusatzkosten in Form der Gebühren für den Notar und das Grundbuchamt für die Übertragung der Grundpfandrechte auf den neuen Kreditgeber anfallen.
Die gesetzliche Basis und die Berechnung der Entschädigung
Bei der Vorfälligkeitsentschädigung handelt es sich de facto um einen Ersatz der Zinseinnahmen, die dem Kreditgeber durch die vorzeitige Rückführung oder die Nichtinanspruchnahme eines Darlehens entgangen sind. Er wird in der Fachsprache als Zinsausfallschaden bezeichnet.
Die gesetzlichen Regelungen dazu finden sich im Paragrafen 490 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Dieser sagt aus, dass eine Entschädigung dann fällig wird, wenn der im Kreditvertrag festgeschriebene Zinssatz über dem Zinssatz liegt, den die Bank bei einem Ersatzgeschäft, also die Ausreichung der Kreditsumme an einen anderen Kunden erzielen kann. Bei der Berechnung der Entschädigung können zwei verschiedene Methoden angewendet werden. Der Kreditkunde kommt besser weg, wenn die Aktiv-Aktiv-Methode gewählt wird. Sie berücksichtigt den Schaden aus der Zinsverschlechterung sowie einen Zinsmargenschaden.
Die zu zahlende Entschädigung wird umso höher, je länger der noch nicht abgelaufene Zeitraum der Zinsbindung ist. Aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung heraus hat sich hier die Anrechnung einer Netto-Zinsmarge von 0,5 Prozent etabliert, die jedoch noch um die entfallenden Kosten des Verwaltungsaufwands für die weggefallene Kreditlaufzeit sowie um die Risikokosten bereinigt werden muss. Zusätzlich kann die Bank bei einer vorzeitigen Kreditkündigung während der Zinsbindungsfrist jedoch ein Entgelt für die Bearbeitung der Kreditauflösung beanspruchen.
Vorfälligkeitsentscheidung nach Aktiv-Passiv-Methode
Das darf sie auch bei der zweiten Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung, die Aktiv-Passiv-Methode genannt wird. Dabei werden Zahlungsströme erfasst, die mit den tatsächlich erzielbaren Renditen aus Hypothekenpfandbriefgeschäften abgeglichen werden. Ergeben sich daraus höhere Kosten für die gleichen Gewinne wie aus dem gekündigten Kredit, wird die Differenz als Entschädigung verlangt. Allerdings dürfen seit einem BGH-Urteil aus dem Jahr 2004 keine PEX-Renditen bei dieser Rechnung mehr zugrunde gelegt werden, da sie zu einer überhöhten Entschädigungssumme führen könnten.
Die Vorfälligkeitsentscheidung bei Bausparverträgen
Spricht die Bank eine Kündigung eines Kreditvertrags aus, weil vertragliche Pflichten nicht erfüllt wurden, entsteht theoretisch ein Schaden, der mit dem einer Kündigung durch den Kreditnehmer identisch ist. Deshalb konnte bisher auch die gleiche Entschädigung verlangt werden. Die Rechtsprechung des BGH dazu hat sich aber geändert. Die Bundesrichter sind der Überzeugung, dass es nicht gerechtfertigt ist, dass die Banken aus Notlagen der Kunden zusätzlichen Profit erzielen können.
Deshalb wird der Paragraf 497 des Bürgerlichen Gesetzbuchs inzwischen so interpretiert, dass die Banken nur noch einen Verzugszins in Rechnung stellen dürfen. Ausnahmen dazu entstehen nur noch, wenn ein darüber hinausgehender Schaden beispielsweise durch Refinanzierungskosten zweifelsfrei nachgewiesen werden kann.
Für Bauspardarlehen gelten besondere Regelungen. Hier kann durch die Bank eine Entschädigung für entgangene Zinsen bei einer vorzeitigen Kündigung eines Kredits nicht verlangt werden. Diese Regelung ergibt sich jedoch nicht aus dem Bundesrecht, sondern den von den Banken erarbeiteten Allgemeinen Bausparbedingungen.
Bauspardarlehen können jederzeit gekündigt werden. Auch Fristen müssen dabei nicht eingehalten werden. Teilkündigungen durch Zwischentilgungen stehen dem Kreditkunden danach ebenfalls jederzeit in beliebiger Höhe offen. Ursache für diese Praxis ist, dass die Bausparkassen nach dem Prinzip des gemeinschaftlichen Sparens arbeiten und die vorzeitige Rückführung des Darlehens durch einen Kunden ihnen die Möglichkeit gibt, bei den anderen Kunden die Wartezeiten nach dem Erreichen der Zuteilungsreife zu verkürzen.
Vorfälligkeitsentscheidung bei Verbraucherdarlehen
Weitere Sonderreglungen sind für Verbraucherdarlehen geschaffen worden. Sollte hier der individuelle Kreditvertrag keine Klausel zur flexiblen Ablösung enthalten, kann die Bank bei einer Kündigung bei mehr als einem Jahr verbleibender Restlaufzeit lediglich eine pauschale Entschädigung in Höhe von einem Prozent der Restschuld verlangen.
Beträgt die verbleibende Restlaufzeit des Verbraucherdarlehens weniger als ein Jahr, darf die verlangte Entschädigung höchstens ein halbes Prozent der noch offenen Kreditsumme betragen. Diese Regelung ergibt sich aus dem Inhalt des Paragrafen 502 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wird aber ergänzend von den meisten Banken in die Allgemeinen Vertragsbestimmungen zu den Verbraucherkrediten aufgenommen.